Himnlische Musik | Beschwerdegespräch im Himmel – Protokoll Luzifer 666-A


Ort: Himmel, Thronsaal Gottes
Datum: Ewigkeit + 3
Beteiligte:
– Gott, der Allmächtige, in seiner Funktion als Schöpfer und oberster Verwaltungsleiter
– Luzifer, gefallener Seraph, Fürst der Unterwelt, Komponist und Kritiker

(Der Thronsaal ist erfüllt von einer mild schimmernden Morgenröte, während sanft säuselnde Harfenklänge die Decke aus Goldblättern streifen. Luzifer, mit wehendem, pechschwarzem Mantel, tritt ein. Er mustert kurz den Thron Gottes, räuspert sich, und zieht eine Schriftrolle hervor.)

Luzifer (grinsend, aber sichtlich genervt):
Einen wunderschönen, geradezu göttlichen Morgen, mein alter Freund. Oder soll ich sagen: Betriebsleiter dieses ätherischen Wellness-Tempels?

Gott (hebt leicht die Augenbraue):
Luzifer. Ich habe es kommen sehen. Bitte, erspare mir die Theaternummer. Worum geht es diesmal?

Luzifer (dehnt jede Silbe genüsslich):
Musik. Eure Musik. Himmlische Musik, die ich nicht einmal meinem ärgsten Dämonenpraktikanten als Folter vorsetzen würde.

Gott (blättert seelenruhig in einem Buch, das mit „Plan der Schöpfung, Band LXXXVI“ beschriftet ist):
Harfen. Engelsgesänge. Jahrtausende bewährt. Wunderschön. Harmonisch.

Luzifer (spuckt fast vor Hohn):
Wunderschön? Harmonisch? Es ist fade, Gott! Fade wie lauwarmer Weihrauch! In der Hölle, da haben wir Power: Beethoven auf Nitro, Metallica im symphonischen Fegefeuer, Johnny Cash auf Endlosschleife. Unten regt sich wenigstens noch was!

Gott (hebt eine Hand, bittet um Ruhe):
Es soll Frieden stiften, Luzifer. Himmlische Klänge sind beruhigend.

Luzifer (fuchtelt mit der Schriftrolle):
Beruhigend?! Ich habe einen ganzen Chor von Ex-Mönchen, die mir weinend in die Hölle gefolgt sind, weil sie deine Harfen nicht mehr ertragen konnten! Eine Ewigkeit lang nur pling plong pling … selbst die robusteste Seele gibt da irgendwann klein bei!

(Gott schließt sein Buch, legt es seufzend zur Seite.)

Gott:
Also gut, illustriere mir deine Kritik, Luzifer.

Luzifer (hellauf begeistert, rollt die Liste weiter auf):
Mit Vergnügen! Punkt eins: Das monotone Tonmuster. Es klingt wie der Klingelton eines antiken Nokia-Handys, nur ohne jede Dynamik. Jeder Engel spielt dieselbe drei Töne rauf und runter, als hättest du ihnen ein Budget von genau drei Noten zugestanden.

Gott (müde):
Es sind acht Töne.

Luzifer (sarkastisch):
Entschuldige, acht! Natürlich. Ein ganzes Oktav-Paradies! Wo sind die Modulationen? Die Synkopen? Ein kleiner Augenzwinkern-Taktwechsel? Nichts!

(Gott faltet die Hände.)

Gott:
Synkopen? In der himmlischen Harmonie? Weißt du, wie viele Seelen darüber stolpern würden? Sie verlieren schon beim einfachen Amen die Eins.

Luzifer (schnaubt):
Ich biete unten Polyrhythmen aus fünf Kontinenten! Afrikanische Trommeln, schamanische Kehlkopfgesänge, dazu Kirchenorgeln auf Speed! Und keiner beschwert sich, weil die Rhythmen leben.

Gott:
Lebhaft bedeutet nicht automatisch friedlich.

Luzifer (funktelnd vor Häme):
Friedlich? Weißt du, was deine Engel vor Langeweile machen? Ich habe sie dabei erwischt, wie sie während des Dienstes Sudokus lösen. Dabei sollten sie eigentlich himmlische Symphonien darbieten.

Gott streicht sich übers Kinn.

Gott:
Du übertreibst.

Luzifer (zieht ein Foto hervor, hält es triumphierend hoch):
Beweisstück A. Ein Cherub, dritte Trompete, Level Seraphim-Bronze, eindeutig mit Sudoku. Schau, wie sein Blick glasig zur Harfe starrt!

Gott (mustert das Bild, seufzt):
Das ist… in der Tat ein Sudoku.

Luzifer:
Danke. Ich will hier nicht respektlos sein, aber diese Musik ist Folter für jedes wache Bewusstsein. Selbst die Erzengel haben schon Ohrwürmer davon. Nicht etwa gute Ohrwürmer. Sondern wie diese schrecklichen Kindermelodien, die man nie wieder loswird.

Gott (lehnt sich zurück, nachdenklich):
Du willst also, dass ich den Musikstil ändere?

Luzifer (fährt sich dramatisch durchs Haar):
Ich bitte nicht darum. Ich flehe darum! Nur ein kleines Upgrade, Gott. Lass mich die musikalische Leitung hier oben beraten. Ich stelle ein Höllenorchester zusammen, das deine Harfenabteilung auf das nächste Level hebt!

Gott (schüttelt entschieden den Kopf):
Das Letzte, was ich brauche, ist ein Inferno-Bläserensemble hier oben.

Luzifer (beleidigt):
Inferno ist ein Qualitätsmerkmal!

Gott:
Nein, Luzifer. Himmlische Musik bleibt friedlich.

Luzifer (gespielt empört):
Hast du überhaupt zugehört? Ich rede nicht von Panzermusik, sondern von echter, beseelter Leidenschaft. Von Harmonien, die den Chor der Existenz feiern! Deine Harfen klingen wie eine schlechte App für Einschlafmusik!

(Gott wendet sich einem Engel am Rand des Saals zu.)

Gott:
Gabriel, wie viele Reklamationen zur Musik haben wir diese Woche?

Gabriel (blättert in einem goldenen Klemmbrett):
Null, mein Herr.

Luzifer (hält triumphierend die Schriftrolle hoch):
Eins! Hier! Von mir! Ich zähle für mindestens zwei Milliarden unterforderte Seelen, die mit besseren Tönen gerettet werden könnten!

(Gott reibt sich die Schläfen.)

Gott:
Luzifer, du weißt genau, dass die Menschen den Himmel nicht wegen der Musik wählen, sondern wegen der Erlösung.

Luzifer:
Erlösung, Erlösung – das rettet ihre Seelen, aber nicht ihre Ohren!

Gott:
Gut, gut. Ich verstehe deinen Punkt. Hast du einen Vorschlag?

Luzifer (springt begeistert vor, entfaltet eine Partitur):
Natürlich! Hier! Das „Requiem Infernale“ – eine Sinfonie für Engel, Teufel und alles dazwischen. Ich garantiere Standing Ovations im Paradies!

Gott (blickt stirnrunzelnd auf die Partitur):
Was genau bedeutet „Doublebass Explosion“?

Luzifer (stolz):
Eine Hommage an die modernen Metal-Künste. Sie erzeugt einen sanften Adrenalinschock, der auch die letzten Reste von Himmelsmüdigkeit wegfegt.

Gott:
Luzifer. Wir wollen keinen Adrenalinschock. Wir wollen Seligkeit.

Luzifer (theatralisch):
Und Seligkeit, mein Freund, braucht ein bisschen Nervenkitzel!

(Ein leises Flüstern geht durch den Saal. Einige Engel tuscheln aufgeregt.)

Gott (misstrauisch):
Hast du sie schon bestochen?

Luzifer (unschuldig):
Bestochen? Ich? Ich habe nur ein paar Demos verschickt. Ganz unauffällig.

Gott (seufzt tiefer):
Wie viele Engel hören schon deine Proben?

Luzifer (grinst breit):
Offiziell? Null. Inoffiziell? Rund dreitausend. Pro Tag.

(Gott schlägt die Hände vors Gesicht.)

Gott:
Du versuchst also gerade, mir ein musikalisches Putschprogramm unterzuschieben.

Luzifer (unschuldig):
Ich nenne es kulturelle Anreicherung.

(Gabriel mischt sich vorsichtig ein.)

Gabriel:
Herr, ich… muss gestehen, das Schlagzeug in Luzifers Demo hat… beeindruckt.

Gott (wirft Gabriel einen Blick zu):
Nicht. Ein. Wort.

Luzifer (verbeugt sich spöttisch):
Mein Orchester stünde bereit. Eine Kooperation könnte epochal sein. Ich biete dir einen Vertrag mit Probeklausel. Zwanzig Probeminuten, himmlische Mittagspause inklusive.

(Gott steht auf, mächtig und leuchtend, die Harfen im Hintergrund verklingen abrupt.)

Gott (mit Donnerstimme):
Luzifer, ich bin geduldig. Ich bin barmherzig. Aber wenn du mir noch einmal Doublebass Explosion in mein Paradies schleppst, dann…

(Er atmet durch, zwingt sich zur Ruhe.)

Gott:
…dann verbanne ich dich für einen Monat in den 33. Höllenkreis – ohne Spotify.

(Luzifer erbleicht kurz.)

Luzifer:
Das ist unmenschlich.

Gott:
Un-höllisch, meinst du wohl.

(Beide schweigen. Dann prustet Luzifer los, Gott lächelt ein wenig.)

Luzifer:
Also keine Apokalypse-Probe?

Gott (mild):
Keine Apokalypse-Probe.

Luzifer:
Kein Metal?

Gott:
Kein Metal.

Luzifer (seufzt tief, steckt die Partitur weg):
Wenigstens die Harfen mal stimmen?

Gott (überlegt kurz):
…Das lässt sich diskutieren.

(Luzifer verbeugt sich spöttisch, dreht sich, schreitet davon. Kurz bevor er hinausgeht, ruft er zurück:)

Luzifer:
Ich komme wieder, alter Freund. Die Kunst stirbt nie!

Gott (lächelt milde):
Darauf zähle ich, Luzifer. Darauf zähle ich.